Ein (Video-)Interview von Tim 
            Stüttgen am 12.07.01 in Berlin Kreuzberg. Links im Text führen zu 
            Interviewausschnitten (Real Video-Streams). Das gesamte Interview 
            als pdf zum Mitnehmen und "einfach nur" lesen gibt es hier (Ziel speichern). 
            >>>> Magst du nicht erst mal selber was über deinen 
            Werdegang erzählen? ( hi 
            - lo 
            ) 
<<<< Ich hab´ erst mal n´ bisschen Medizin 
            studiert, wollte eigentlich 
            Psychiater werden, hab´ also erst mal n´ bisschen Medizin studiert, 
            und dann sofort wieder abgebrochen weil ich gemerkt hab´ ich wollte 
            einfach Film machen.
 wollte eigentlich 
            Psychiater werden, hab´ also erst mal n´ bisschen Medizin studiert, 
            und dann sofort wieder abgebrochen weil ich gemerkt hab´ ich wollte 
            einfach Film machen. 
>>>> Wie hast du das gemerkt? 
            
<<<< Hatte kein Geld für das Studium, und hab´ so 
            Jobs nebenher gemacht. Hatte sowieso schon in der Schule überlegt, 
            ich wollte Astrophysiker werden oder eben Film, und dann war es 
            schnell entweder Film oder so was wie Psychoanalyse, und dann hab´ 
            ich so Nebenjobs gemacht neben dem Studium. Und dann war das 
            ziemlich schnell klar, dass Regie die spannendere Sache ist. Und 
            eigentlich kam es weil ich gemerkt hab, dass natürlich das Tolle am 
            Film ist, dass du dich ununterbrochen mit verschiedenen Welten 
            beschäftigen kannst. Also für jemanden der sich schwer entscheiden 
            kann, zu welcher Welt er dazugehört ist das ideal, weil du hast 
            natürlich das irre Recht überall hinzugehen und fragen zu stellen. 
            
>>>> War es dann eher das Gucken, als du 
            irgendwelche Filme gesehen hast, die dich umgehauen haben, oder war 
            kam es erst eher in der Zeit als du dann gemacht hast? 
            
<<<< Komischerweise gab´ es nicht so viele Filme die 
            mich umgehauen haben. Ich fand´ die Andy Warhol-Filme super, und 
            Taxi Driver hat mich natürlich umgehauen, und auch einige der Robert 
            Altman-Filme fand´ ich super. Ich glaube Nashville hatte ich noch 
            gesehen als ich noch in der Schule war, und bei Nashville und den 
            Andy Warhol-Filmen hab´ ich gedacht, wau, so was will ich machen. 
            
>>>> Und dann? 
<<<< Dann ging es 
            unheimlich schnell, ich hab bis hin gearbeitet und war dann sofort 
            irgendwie Regieassistent bei ´ner ziemlich großen Produktion, und 
            dann war sofort klar, , wenn ich jetzt weiter Regieassistenz mache, 
            dann werde ich halt Produktionsleiter oder Produzent weil 
            Regieassistenz in Deutschland, das führt ja so zu Organisations- und 
            Produktionsarbeit. Und dann hab ich mich sofort beworben und bin 
            dann in München zur Filmschule gegangen.
>>>> Und war 
            das schwer darauf zu kommen? 
<<<< Das war unheimlich 
            einfach, weil ich da nicht hinwollte. Ich wollte unbedingt auf die 
            Berliner Schule, und dann hab ich mich in München beworben und hab 
            gesagt: das ist mir jetzt total egal, was die von mir erwarten, ich 
            mach jetzt genau das, was mir Spaß macht, weil ich da sowieso nicht 
            hinwill. Und alle sagten, man muss da so kommerziellen Kram machen, 
            und da hab ich gesagt, okay dann muss ich das jetzt rausfinden und 
            bewerb mich eben mit meinem Zeug, und wenn die mich nehmen, dann ist 
            es gut, und wenn die mich nicht nehmen, dann wär ich da eh falsch. 
            Und dann haben sie mich genommen, war ja klar(lacht).Und in Berlin 
            hast du dich zuerst beworben? Ja, ich habe mich zweimal in Berlin 
            beworben, und die haben mich überhaupt nicht gewollt. 
            
>>>> Immer das gleiche.
<<<< Immer 
            das gleiche. Aber es ist wahrscheinlich...wahrscheinlich 
            funktioniert das nicht. Wenn man sich dann so bemüht, dann gehts 
            halt nicht.
>>>> Wie wars denn in München? Das ist so 
            ne Schule die ich heute gar nicht mehr einordnen kann. (hi 
            - lo 
            ) 
<<<< Man muss ja dazu wissen, was ich mache. Ich 
            mache ja jetzt Regie und produzier die Sachen immer selber, so war 
            auch mein Regieassistenten-Ausflug sehr nützlich. Ich mach ja auch 
            zum Beispiel selber die Kamera. Bei den dokumentarischen Sachen mach 
            ich die Kamera, ich hab bei meinen Filmen immer einen Teil der 
            Kamera gemacht. Jetzt bei L´Amour hab´ ich deutlich über die Hälfte 
            der Kamera gemacht, halt unter diesem Silberstein-Pseudonym, die 
            Münchner Filmhochschule gibt dir einfach ne technische Ausbildung 
            die ist der Hammer. Du kannst einfach danach ne Kamera in die Hand 
            nehmen und du weißt wie sie geht und du kannst im Prinzip danach 
            alles machen. Und das andere Gute ist, du wirst ziemlich alleine 
            gelassen, das heißt, du musst einfach rausfinden was du willst. Und 
            anders glaube ich funktioniert das eh nicht. 
>>>> 
            Und wie lang ging das da? 
<<<< Zur der Zeit war die 
            Hochschule noch etwas unorganisiert...Insgesamt hab ich da so 
            fünfeinhalb Jahre studiert, wobei ich studieren in diesem Fall halt 
            heißt.. Ich hab ja sofort auch angefangen innerhalb der Hochschule 
            Filme zu machen, die plötzlich ne Nummer zu groß waren. Ich hab als 
            ersten Übungsfilm Sommer gemacht, die anderen haben alle so Zehn-, 
            Fünfzehn-Minutenfilme gemacht und ich hatte halt so ´ne Idee wo wir 
            halt ´nen Film gemacht haben, und ich wusste noch nicht, dass der 
            dann so 105 Minuten lang wird. Und dann ist ers aber geworden. 
            
>>>> Wie hast du dich den vorher bei den großen 
            Produktionen gefühlt, war das denn dein Ding da?
<<<< 
            Ich hatte vorher 2 große Produktionen gemacht bei ´nem Regisseur der 
            hieß Peter Kegelwitsch, einem unglaublich gutem 
            Schauspieler-Regisseur, und da hab dich total viel gelernt über 
            Schauspiel-Führung... Und ansonsten, das war der Grund warum ich das 
            früher aufgehört hab. Das war ein Film von ihm der Belladonna heißt, 
            der hat ´nen Film gemacht, ne Liebesgeschichte, die ein unglaublich 
            kommerzieller Flop geworden, und auch leider ein unglaublich 
            schlechter Film geworden ist. Und wo du richtig sehen konntest, wie 
            die Geschichte kaputt gemacht geworden ist, oder auch wie sie im 
            weggenommen worden ist, muss man leider auch sagen. Ganz simpel 
            eigentlich, ne Liebesgeschichte ist ja nur interessant in den 
            Details, die Grundschemata sind immer die selben, und irgendwann 
            taucht ein unglaublicher Druck auf, der muss kürzen, der muss auf 90 
            Minuten, und dann flogen all die Details raus, und das was übrig 
            blieb war unglaubliches Klischee-Zeug. Und das war relativ hart, zu 
            sehen, wie aus ´ner richtig schönen Geschichte, durch diesen Druck, 
            der nicht vom Produzenten kam, der war super, der aber von Verleih 
            und Fernseh-Anstalten kam. Am Schluss war was übrig, wo dann alle 
            sagten: "Das ist jetzt kein super Film." Wo du dann dachtest "Was 
            ist denn jetzt los? Zuerst schmeißen sie alles raus, und dann sagen 
            sie was übrig ist, ist nix."
>>>> War das dann so´ne 
            Zeit wo du wo etwas abgeschreckt wurdest? (hi 
            - lo) 
            
<<<< Ne, diese Zeit war schon vorbei. Ich war nach 
            dem Abi relativ lange in Südamerika. Es war so ´ne Zeit wo ich 
            rausfinden wollte, was ich machen wollte und ob ich überhaupt in 
            Europa leben will und so. Und als ich zurückkam, da hab ich 
            gearbeitet bei so Fernsehserien. Und da haben alle gesagt: Du musst 
            Regieassistenz machen, vier Lahre lang machen, und dich 
            hocharbeiten. Da hab ich mir das angeguckt und mir gesagt: Wenn du 
            in diesem Fernsehbetrieb arbeitest 5 Jahre oder 10, dann hast du 
            überhaupt keine Chance, dass du noch irgendwas zu erzählen hast. 
            Weil du zerstörst dir da dein Erzählpotential recht sicher. Und dann 
            hab ich sofort aufgehört. 
>>>> Krass. Aber klar, das 
            war auch die Erfahrung, von der ich bei Fernsehdrehs gehört habe. 
            
<<<< Ja, es ist gut, um zu lernen. Wie man 
            Schauspieler inszeniert, wie du mit der Technik umgehst, ist auch 
            gut zu wissen, wie man den Set organisiert. Also das ist ja ein 
            Problem für viele Leute von der Filmhochschule, die da stehen auf 
            dem Set und da sind 30 Leute, und wie organisiert man den Set, wie 
            sind die Abläufe, wie kann man Sachen schneller machen, wie kann man 
            Sachen minimieren, wie kriegst du es Technik hin dass du im Budget 
            bleibst und so weiter... dafür ist es gut aber... Das Fernsehen hat 
            ja im Moment ne unheimlich interessante Rolle. Meines Erachtens 
            führt ja das Fernsehen dazu das jetzt wieder ne extrem 
            experimentelle Freiheit im Kino auftauchen wird, weil der Zuschauer 
            jetzt gerade so trainiert wird darauf dass so maximale Konflikte, 
            super-archaisch nach Drehbuch/Lehrbuch, richtig so keine Ahnung: der 
            Vater muss Sohn an eigenem Hirntumor operieren und verliert dabei 
            seine geliebte, weil eigentlich wollte er sich trennen von seiner 
            Frau, aber weil er jetzt den Sohn rettet muss er dabei der Familie 
            bleiben .so was ist ja eigentlich ein recht tiefer Konflikt und all 
            das jetzt wird ja immer innerhalb so 23 Minuten abgehandelt, in 
            extremer Effizienz. Und das führt, am Schluss glaube ich, dann dazu 
            dass die Zuschauer im Kino wiederum unheimlich Lust haben auf 
            Geschichten die sich sehr viel Zeit nehmen, und die sehr viel 
            Nebenstränge erzählen oder die zum Beispiel die gar nicht so 
            Riesen-Konflikte erzählen... Aber das Fernsehen ist ja im Endeffekt 
            dabei, was den fiktionalen Bereich angeht, sind die dabei voll vor 
            die Wand zu laufen. Weil, du kannst ja natürlich nicht mehr das 
            Konfliktpotential irgendwann nicht mehr das Konfliktpotential in 
            ´ner 23minuten Geschichte steigern, und irgendwann sind die halt 
            dann am Ende. 
>>>> Glaubst du, das gilt auch für 
            Deutschland, und was hältst du überhaupt von der momentanen 
            Situation? (hi 
            - lo 
            ) 
<<<< Also, ich fand dass es jetzt dieses Jahr ein 
            paar ganz gute deutsche Sachen gab. Ich fand zum Beispiel Die Innere 
            Sicherheit wirklich gut, ich fand auch Alaska.de gut. Ansonsten ist 
            Deutschland wie jedes andere Filmland auch, du produzierst halt sehr 
            viele Filme, um ein paar gute Filme herzustellen, das ist in 
            Hollywood auch so. Was ich ein Problem find in Deutschland ist, dass 
            Deutschland fünfzehn bis zwanzig Jahre Amerika hinterher hängt,, und 
            Deutschland die Filmpolitik vertritt: Weg mit dem Autorenfilm, ein 
            Regisseur muss jemand anderes sein als Drehbuchautor, Regisseur muss 
            jemand anderes sein als Produzent...und die merken überhaupt nicht, 
            dass in Amerika... Die vertreten momentan so ungefähr die Position 
            wie Amerika in den späten Siebzigern. Also, diese ganze 
            Spielberg/Stone-Generation sind jedenfalls Leute, die selber 
            produzieren, selber schreiben und selber Regie machen. Und die 
            deutsche Filmpolitik benimmt sich so, als wäre sie Hollywoods 
            Industrie-Presse-Sprecher im Jahre´75 die sagt: "Wir müssen dass 
            alles professionalisieren". Das ist ja vollkommen wahnsinnig, wenn 
            so das Filmboard, Filmstiftung ist ja noch ne löbliche Ausnahme, 
            dass die Leute sagen: "Und wer ist Ihr Produzent, und wieso haben 
            Sie keinen professionellen Drehbuchautor? Warum machen Sie sich das 
            professionell wie die Amerikaner?", also die Frage: "Wie schaffen 
            wir auf einen internationalen Level zu kommen, wir schaffen das, 
            indem wir professionelle Strukturenmachen", und die kriegen 
            überhaupt nicht mit, dass das, was im internationalen Kino passiert, 
            seit langer Zeit vollkommen gegenläufig ist. Also mit 
            Personial-Union von Produzent/Autor/Regisseur. Und was das 
            asiatische Kino angeht, dass es auch vollkommen weggeht von fertigen 
            Drehbüchern. Wenn ich in Amerika bin, interessiert sich eigentlich 
            niemand für fertige Drehbücher. Die interessieren sich für 
            Treatment, Rollen, Szenenabfolge. Das ist die 
            Entscheidungsgrundlage. Das ist das merkwürdige in 
            Deutschland.
>>>> Schon krass. Ich habe mir mal diese 
            ganzen neuen deutschen Sachen und die Jahreshits auf der Berlinale 
            angeschaut, aber es brauchte dann schon L´Amour bis ich dann mal 
            richtig bewegt aus dem Kino kam. Gerade so in Bezug auf Details, 
            Figuren, Konsequenz. Dann ist es schon erst mal heftig wenn ich höre 
            dass der immer noch keinen Verleih hat. (hi 
            - lo) 
            
<<<< Tja, das war jetzt auch erst mal ne 
            interessante Erfahrung, der hat jetzt erst mal die deutsche 
            Kritikerhinrichtung gekriegt. Das deutsche Kritiker-System ist auch 
            eines, das super-einfach funktioniert. Das haben auch der Karmakar, 
            auch die Dubinis so erlebt, eigentlich alle. Die Journalisten auch 
            gerne kreativ, und was kannst du als Journalist schon kreatives 
            machen. Du kannst z.B. jemanden neu entdecken, also du entdecktst 
            jemanden neu und das findest du ja auch gut, und dann erlebt man 
            recht regelmäßig, dass die Leute die letzten Film von dir als 
            Entdeckung gefeiert haben, den nächsten einfach mal hinrichten. Im 
            Prinzip möglicherweise ähnlich wie die Fernesehserien: du musst 
            quasi als Journalist immer wieder neue Talente entdecken und alte 
            zerreißen um wieder für neue Platz zu machen. Wie in Fernsehserien 
            eben das neue erst mal genial und dann eben das neue danach und das 
            alte nicht mehr. >>>> Aber in Deutschland gibt es doch 
            nicht so viele Talente.
<<<< Aber das ist ein 
            Problem, dass in Deutschland wiederum die Talente unter so einen 
            merkwürdigen Druck gesetzt werden. Also das ist sicherlich was der 
            Tykwer mit Krieger Und Die Kaiserin erlebt hat, wobei ich den auch 
            wirklich nicht gut fand. Aber die Innere Sicherheit find ich auch 
            richtig gut, auch ein sehr konsequenter Film. Erstaunlich gut.Aber 
            die...was du sagst, wenn dir beispielsweise die Details so gefallen 
            haben. Ich kann mich halt auch von nem bestimmten Druck freihalten, 
            ich kann einfach sagen, ich lass mir da nicht über all reinreden. 
            Wobei das ne schwierige Balance ist, zwischen den Details in denen 
            du ne Geschichte entwickelst und dem Rahmen in dem du ne Geschichte 
            entwickelst. 
>>>> Wie kam denn die Entscheidung 
            selber zu produzieren, und wie ist das denn dann mit dem "davon 
            leben können"? (hi 
            - lo) 
            
<<<< Ja, einfach davon leben kannst du eh nicht 
            richtig von Filmen. Das geht uns, glaube ich allen so. Wenn man 
            nicht zufälligerweise Preise kriegen würde die einen dann wieder 
            überleben lassen, wäre es glaube ich ein bisschen schwierig. Hmmm, 
            ich hab halt in der Hochschule eben dann den ersten Film gemacht, 
            und da bist du ja eh immer selber Produzent.
>>>> Und 
            dann hast du es halt einfach beibehalten...
<<<< Ich 
            hab´s beibehalten, und auch, z. B. die Dubinis produzieren ja auch 
            selber, viele Freunde arbeiten ähnlich, ich hab gerne gearbeitet mit 
            den französischen und schweizerischen Produzenten die ich jetzt hier 
            hatte. Ich finde das, also ich probier´s jetzt mal so zu 
            formulieren, dass das nicht ne Hinrichtung für mich selber wird, ich 
            finde es richtig, dass in Deutschland gesagt wird, wir brauchen 
            richtige Produzenten. das ist im Prinzip richtig, und ich hätte auch 
            gerne jemanden. Ich hätte gerne jemanden, mit dem ich die Sachen 
            entwickle und mit dem ich Ideen reicher mache, auf der kreativen 
            Seite. Auf der Produzenten-Arbeitsseite, ist das Problem in 
            Deutschland, dass ein deutscher Produzent im Grunde genommen seine 
            Sache schon gerettet hat, in dem Moment wo sie produziert ist. In 
            dem Moment wo sie finanziert ist interessiert den Produzenten in 
            Deutschland eigentlich nicht mehr ist: ist das jetzt ein Smashhit im 
            Kino. Sondern den interessiert: wie krieg ich das jetzt reibungslos, 
            geräuschlos innerhalb des Zeitplans, innerhalb des Budgets über die 
            Bühne um gleichzeitig mit dem selben Redakteur, mit den selben 
            Förderungen das nächste Projekt vorzubereiten. Das führt natürlich 
            dazu, zum Beispiel im Konfliktfall: Also wenns jetzt einen Konflikt 
            gibt zwischen sagen wir mal Regie und Fernsehredakteur, wird der 
            Produzent immer auf der Seite des Fernsehredakteurs stehen, weil der 
            Regisseur ist für den Produzenten austauschbar. Der Redakteur ist 
            derjenige, von dem der Mann die nächsten zwanzig Jahre die Aufträge 
            braucht. Und so lange das so ist, habe ich eigentlich keine große 
            Lust auf deutsche Produzenten. Also ganz simpel gesagt, so lange ich 
            nicht mit Leuten arbeite, die persönlich im Risiko stehen, also 
            sowohl künstlerisch wie auch finanziell ihren Arsch hinhalten. Ich 
            weiß überhaupt nicht, was ich mit jemandem soll, der nicht in dem 
            selben Risiko drin steckt, wie ich. Ich versteh gar nicht wo dann 
            die Gesprächsbasis ist. Das ist auch ein Unterschied zu England und 
            auch zu Amerika. Da hast du natürlich, da hast du einfach 
            Produzenten, ich habe ja viele Freunde in Amerika, durch die ganzen 
            Festivals, und so. In Sundance lernst du halt einfach alle Leute 
            kennen, aber der Unterschied ist: die Leute gehen mit einer anderen 
            Panik in ein Projekt, weil die einfach ihr eigenes Leben drin haben, 
            wenns schief geht sind die hin, und aber auch mit ´nem anderen 
            Enthusiasmus. Das hängt ja auch zusammen. Das Risiko was du hast und 
            den Enthusiasmus was du hast. Und die deutschen Produzenten sind gut 
            abgesichert, das ist ja auch schön, aber dann ist natürlich dieses 
            Enthusiasmus-Problem da. 
>>>> Wie stellst du dir das 
            denn dann über längeres so vor, ob ich jetzt mit Leuten von 
            Verleihen oder mit Leuten die Filme machen gesprochen habe, die 
            sagen alle, dass sich da was ändern muss, aber auch dass sich von 
            der Struktur her jetzt nicht so schnell was ändern wird und so 
            manches festgefahren ist. 
<<<< Also ich bin jetzt an 
            so einem Punkt, wo ich da jetzt mal nachdenke, also nach L´amour 
            kommen schon mehr Produzenten, so: "Wir wollen dich produzieren. 
            Lass uns mal das nächste zusammen machen." Da denk ich auch drüber 
            nach ob ich jetzt wirklich aufhören soll zu produzieren. Ich denke 
            nicht das ich wirklich aufhören werde, weil´s auch irren Spaß macht 
            ein Projekt zusammen zu bringen. Aber was sicherlich ist, ist dass 
            du auf die Dauer, wenn die Projekte mehr und größer werden, jemand 
            dazu holen musst. Insofern ist es für mich selber ne interessante 
            Frage, wie verhalte ich mich dazu. Such´ ich mir nen Produzenten mit 
            dem ich arbeite oder nicht. Im Moment zeichnet sich teilweise so ne 
            Lösung ab, dass ich selber ne Finanzierung auf die Reihe kriege, 
            hauptsächlich, und das dann aber nem ausführenden Produzenten gebe, 
            der es für mich ausführt. Das ist ne Konstruktion die auch 
            funktioniert. Und innerhalb dessen. Aber wenn du die Frage 
            filmpolitisch stellst: Im Moment ist ja ne Katastrophensituation im 
            deutschen Kino, auf ner bestimmten Weise. Also dadurch, das die 
            ganzen Jungs, die da börsennotiert waren, so wahnsinnig viel Geld 
            mit ihren Aktien vernichtet haben, in ihren Aktienkursen. Das ist 
            natürlich die Hölle los. Bei den Leuten, die da 95 oder sogar 98 
            Produzent ihres Aktienkurses verloren haben. Da ist natürlich pure 
            Panik. Da ist auch Risikobereitschaft gleich null.... Keine Ahnung, 
            was das da für Auswirkungen haben wird. 
>>>> Viele 
            von den jüngeren Regisseuren oder Leuten auf Filmhochschulen, die 
            schon was von den Strukturen mitbekommen haben, fragen sich nämlich 
            schon, ob es jetzt dass hier das Land ist, wo man Filme gerne machen 
            will. Und wenn dann auch Verleiher sagen, dass es so einige Filme 
            gibt, die sie großartig finden aber in ihrer Situation nicht 
            rausbringen werden, dann macht man sich schon 
            Gedanken...
<<<< Na darüber mach ich mir natürlich 
            auch Gedanken. Also wenn ich sehe, dass ich mit Lamour immer noch 
            keinen Verleih hab... Da ist natürlich die Frage, und genau wie du 
            sagst, da gibt es natürlich Verleiher, die sagen: aber, wir wissen 
            einfach nicht wie wir dieses Publikum erreichen, was dieser Film 
            braucht. Keine Ahnung. Man denkt, das ist nur ne Ausflucht, man 
            merkt aber irgendwann es ist doch nicht nur ne Ausflucht. Es gibt 
            ein bestimmtes Kunstkinopublikum, die kriegst du im Prinzip nur ins 
            Kino mit ausländischen Namen. Also im Prinzip sind die Leute, die 
            Wong Kar-Wai gucken, genau die, die auch meinen Film auch gucken 
            würden. Oder Lars Von Trier. Aber sind dadurch abgeschreckt, was im 
            Moment im deutschen Kino passiert, und gehen dann gar nicht rein in 
            deutsche Filme. Das ist natürlich schade. 
>>>> Den 
            ersten Film den ich von dir gesehen habe, war Die 
            Terroristen.
<<<< Davor gab es eben noch Sommer, 
            diesen 105-Minüter den ich noch in der Hochschule gedreht habe. Der 
            kam dann auch ins Kino, lief auch in Italien im Kino und sogar da 
            auch ganz gut.
>>>> Also nach Lamour hat mich 
            Terroristen vom gleichen Regisseur schon erst mal ziemlich 
            geplättet. (hi 
            - lo) 
            
<<<< Ja, Die Terroristen... da war ich echt sauer, 
            was Kohl nach der Wiedervereinigung gemacht hat, mit diesem ganzen 
            Rumgelüge. Und dann fand ich es auch interessant, was darüber zu 
            machen, dass wenn schon alle Ideologie verschwindet und wirklich nur 
            noch Geld als Wert übrig bleibt, dann bleibt ja als einziger 
            moralischer Wert nur noch Spaß. Dann kommst du schnell dazu zu 
            sagen: Gut, wenn die Leute Terroristen sind und aber: a) erfolgreich 
            und sie werden nicht geschnappt, b). sie haben Spaß und c). sie 
            haben am Schluss auch noch mehr Geld übrig als am Anfang, dann ist 
            das eigentlich ein Erfolgsmodell. Und dann habe ich mir gedacht, da 
            mache ich jetzt ne Groteske draus. Dass dann da dieser 
            Riesen-Pressewirbel losging, mit Kohl, der sich da persönlich 
            beschwert, und dem Intendanten vom Südwest-Funk, der rausfliegt, 
            daraufhin, damit habe ich nicht gerechnet. Also, weil ich nicht 
            dachte, dass dieser Mann so humorlos ist, dass der ne Groteske ernst 
            nimmt. Es ist ja nun wirklich eine sehr eindeutige Groteske. Und es 
            war dann wirklich interessant, dass da ne Riesen-Maschinerie 
            losgeschossen wurde. Wirklich Kanzleramt und so weiter, und wo dann 
            merkst, ja die sind ziemlich gut in Presse-Politik und so weiter. 
            Die sorgen dafür, dass ihre Meldung rauskommt am Freitag, so dass du 
            gar keine Chance hast, zu antworten, bis zur Montagsausgabe. Da 
            fängt es schon mal an, da sind die Jungs gut im Timing, die kennen 
            sich echt aus. Aber das Interessante ist zu sehen, dass dieses 
            Deutschland ein im gewissen Sinne total demokratischer Staat ist. 
            Das Kanzleramt sagt, dieser Film muss verboten werden und 
            gleichzeitig läuft die deutsche Reihe in Cannes, wo das 
            Wirtschaftsministerium Geld reinsteckt. Dann kriegt der 
            Ministerialdirigent nen Anruf direkt aus dem Kanzleramt, der sagt, 
            dieser Film wird aus dieser Reihe rausgenommen, und der sagt dann: 
            Ne, das glaube ich nicht. 
>>>> Hättest du das 
            gedacht? 
<<<< Ne, das hätte ich nicht gedacht. Und 
            das Goethe-Institut sagt halt: Du bist der einzige deutsche 
            Regisseur der je nach Sundance eingeladen wurde mit nem Spielfilm, 
            natürlich zahlen wir dir den Flug, ist uns total egal, ob das 
            Kanzleramt sich aufregt. Und irgendwelche Leute klagen dann gegen 
            den Film, wie diese Deutschland-Stiftung, und irgend ein Richter 
            guckt sich den dann an und sagt: Nö, ist es nicht. Fertig. 
            Abgelehnt. Und das war spannend, also zu sehen, dass Kohl, das fand 
            ich interessant, der hat richtig versucht, den Film zu stoppen. Und 
            das konnte er einfach nicht. Das einzige was er machen konnte, 
            soweit hat seine Macht noch gereicht, er konnte den armen 
            Südwestfunk-Intendanten feuern lassen, aufgrund von einem 
            Formfehler, im Prinzip. Weil es kein Drehbuch gab, für den Film. Der 
            Rundfunk hat dann gefragt, wo ist das Drehbuch für den Film und es 
            gab kein Drehbuch. Nur so ein Step-Outline. Und darauf musste der 
            Intendant zurücktreten. Und sonst lief das alles vollkommen 
            demokratisch seinen gang. Und alle haben gesagt, ja gut, Kohl regt 
            sich auf, aber wir glauben dass er sich täuscht. Fertig. 
            
>>>> Wie war denn das für dich als du auf einmal 
            diese ganzen Reaktionen mitbekommen hast? (hi 
            - lo) 
            
<<<< Da hab ich ein bisschen Angst gekriegt. 
            Plötzlich kriegst du dann so einen Anruf vom BKA und die Fragen dann 
            nach irgend welchen Details. Und plötzlich gibt es diese Klage wegen 
            Gewaltanstiftung. Da habe ich ziemliche Angst gekriegt, und dann gab 
            es ja auch ein Phänomen was ganz toll war, in diesem Moment. Ich hab 
            noch gar nicht mitgekriegt dass das auch für mich als Regisseur 
            wirklich hätte gefährlich werden können, aber da hatten dann 
            Kollegen schon angefangen für mich so ne Solidaritäts-Gegensache zu 
            machen. Mit dieser Riesenerklärung von allen Regisseuren: Das ist 
            ein klarer Fall für Freiheit der Kunst. Und das war glaube ich 
            ziemlich entscheidend, dass die das da gemacht haben. Und ich hatte 
            schon Angst. Zwischendurch ist es ja auch der Hammer, wenn du 
            merkst, wie die Medien funktionieren. Zum Beispiel, Bildzeitung, 
            zweite Seite: Mit Steuergeldern finanziertes Machwerk über einen 
            Versuch die Familie Kohl zu töten. Und dann: Die Inhaltsangaben 
            raten radikal außer Kontrolle wo dann auf einmal die ganze Familie 
            gesprengt wird, und im hinteren Teil steht dann, es wird noch ein 
            anderer Politiker erschossen, Wo du dann denkst, hallo, können wir 
            uns noch mal über den Film unterhalten? Aber das kannst du halt 
            nicht mehr. Die Medienmaschine ist im dann im Gang. Und ne 
            Diskussion darüber führen, dass der Inhalt des Filmes nicht 
            beschrieben worden ist, das ist zu spät, was in der Bild-Zeitung 
            steht... Und in der Abend-Zeitung in München, erste Seite, da hast 
            du keine Gegenkorrektur-Chance. 
>>>> Was ja in 
            punkto Zuschauer für den Film ja erst mal ganz gut gewesen sein 
            müßte. (hi 
            - lo) 
            
<<<< Praktisch gesehen war das gut für den Film, 
            aber dadurch dass der Kohl die Kampagne gestartet hatte und ich 
            nicht wusste wann, hatten wir in diesem Moment noch gar keine 
            Filmkopien. Wir hatten auch keine Plakate, als das passiert ist, 
            hatten wir noch gar nichts. Wir wollten den Filmstart irgendwann 
            machen, und dadurch dass der dann im Oktober seinen Tobsuchtsanfall 
            kriegt, damit hatte doch keiner gerechnet. Aber es war ne 
            interessante Erfahrung. Zum Beispiel auch: Tausend Mal habe ich im 
            Kanzleramt beim Staatsminister Ackermann angerufen, bis ich den dann 
            mal persönlich ans Telefon kriegte. Weil natürlich wissen wollte, ob 
            der Kohl den Film überhaupt persönlich gesehen hat. Kriegst du keine 
            Antwort drauf. Bis du einfach sagst: Sagen Sie jetzt bitte Herrn 
            Ackermann, dass ich in zwei Stunden einen Auftritt habe in der und 
            der Talkshow. Und wenn ich bis dann nicht ne detaillierte Auskunft 
            darüber habe, wie viel Kohl gesehen hat, und ob er überhaupt was 
            gesehen hat, dann sage ich, Kohl hat gar nichts gesehen. Dann 
            kriegst du natürlich den Rückruf. Und dann kriegst du diese 
            super-diplomatischen Antworten. In dem Fall hieß die Antwort: "Herr 
            Kohl hat den Film gesehen." Und dann fragst du nach: "Hat er den 
            Film ganz gesehen?" Und dann kommt die Antwort: "Er hat alle 
            Stellen, auf die es ankommt, gesehen." Und dann fragst du dann nach: 
            Heißt das jetzt, dass Sie im Schnell-Lauf alle Elemente übersprungen 
            haben, außer den Anschlags-Elementen? Und die Antwort war: "Ja, wenn 
            Sie das so formulieren wollen, dann könnten Sie das so tun." Obwohl 
            dann halt klar ist, dass das Kanzleramt, weil der Kohl so wenig Zeit 
            hat, ihm nur einfach zwölf Minuten Anschlagssequenzen und 
            Vorbereitungen zeigt und alles dazwischen überspringt, dann ist das 
            kein Wunder dass der subjektiv das Gefühl hat, das wär ne Anleitung 
            wie man ihn in die Luft jagt, kann ich verstehen. Aber da fehlt ja 
            komplett die andere Ebene.Das Problem war ja nur, dass ich danach 
            nicht mehr ohne Drehbuch Filme machen konnte. Das war schade, da ich 
            bisher immer nur mit so kleinen Outlines gedreht hatte, und jetzt 
            musste ich ein vollkommenes Dialog-Buch abliefern, das ist überhaupt 
            nicht mein Stil. Wobei das L´Amour ganz gut getan hat, weil alles, 
            was du da siehst, jeder Dialog ist im Drehbuch ganz aufgeschrieben 
            bis auf´s Komma, und das ist gut gewesen, dass ich gezwungen war, 
            die Sprache so genau festzulegen. Das Problem war halt es hat 
            zweieinhalb Jahre gedauert bis ich das Drehbuch in der Struktur 
            soweit hatte, und dann musste ich wieder das Geld besorgen, und es 
            war ja nach den Terroristen nicht so einfach, das Geld zu kriegen. 
            
>>>> Was gerade blöde ist, wo du jetzt was ganz 
            anderes gemacht hast.
<<<< Ja die Geldgeber wollen 
            genau wissen worauf sie sich einlassen, und eigentlich wollen die 
            Leute in Deutschland auch, dass man den gleichen Film immer wieder 
            macht. Und jeder Film von mir ist halt sehr verschieden. Er nächste 
            Film ist ne Dokumentation ohne Worte über die Grand Chantreuse. 
            
>>>> Aha? 
<<<< Das Mutter-Haus des 
            Katheuser-Ordens, schweigende Mönche, das ist schon relativ weit weg 
            von L´Amour. Das ist ein Projekt, das ich seit 1984 verfolge. Schon 
            in der Filmschule war das so ne Idee was über dieses Schweigen zu 
            machen. Das hat was damit zu tun, das, jedenfalls für meine Filme, 
            Film ja ein reines Zeitgestaltungs-Medium ist. Das Hauptelement wie 
            ich arbeite, ist, dass ich in den Wahrnehmungs-Rhytmhus des 
            Zuschauers eingreife, für die Zeit die er da sitzt. Deshalb geht das 
            auch, bei den Zuschauern bei denen das ankommt, relativ tief rein. 
            Und, ich fand das dann immer irre was zu machen in der Sprache fast 
            überhaupt keine Rolle mehr spielt, in der es nur um Rhythmus geht. 
            Klosterleben is ja ne extrem Rhythmisierte Sache. Die haben ja immer 
            so acht neuen Gebetsmomente. Da wo ich drehe, gibt es diesen 
            katholischen Orden so um die tausend Jahre, und seitdem haben die 
            ihre Regeln auch nicht mehr geändert, und seit tausend Jahren leben 
            die so. Die Zeit und das was du sehen kannst, die Bilder, ist das, 
            was das Leben da ist. Und natürlich Gott. Du kannst Gott ja sowieso 
            nicht abbilden, aber du kannst natürlich nen Film machen, nicht 
            darüber woran die jetzt glauben. Aber du kannst einen Film machen, 
            wo du dich als Zuschauer selber fragst, woran du jetzt glaubst. Und 
            das finde ich spannend. Aus formalen und inhaltlichen Gründen wollte 
            ich einen Film über die machen, die das Klosterleben zu einem 
            bestimmten extrem leben. Die Katheuser nehmen nie Gäste auf. Die 
            Katheuser unterhalten keine Schulen. Die tun nichts, als beten. 
            Unglaublich radikal. Die sagen: Wenn der Pfarrer im Nebendorf 
            stirbt, dann können wir dem keine Messe halten, da können wir nichts 
            machen. Unser Auftrag ist es, hier drinnen zu bleiben. Sehr extrem 
            
>>>> Aber zurück zu L´Amour L´Argent L´Amour. Auch 
            wenn das Drehbuch so festgelegt sein musste, gibt es aber trotzdem 
            improvisierte Sachen, oder? (hi 
            - lo) 
            
<<<< Es gibt Nebenszenen die improvisiert sind, es 
            gibt ne ganze Menge improvisierte Nebenmomente. Daran glaube ich 
            aber, dass du neben dem Drehbuch-Struktur-Szenen musst du einfach 
            bestimmte Sachen improvisieren. Als sie ihm zum Beispiel die Haare 
            abschneidet oder das Auto im Eis stecken bleibt. Dazu ist ja dieses 
            relative Spontan-Drehen, teilweise drehe ich sehr genau geplant, 
            teilweise sage ich einfach, das wird jetzt gemacht... Du kriegts 
            bestimmte Ideen, da würdest du dich nicht trauen, die in ein 
            Drehbuch reinzuschreiben. Wenn du in ein Drehbuch reinschreibst, 
            "Sie schneidet ihm die Haare ab", du hast keine Chance, das Drehbuch 
            wird so kitschig lesen, dass du sie immer rausstreichen wirst. Sie 
            wird deine eigene Zensur nicht überleben. Wenn du sie aber im Moment 
            einfach mal machst, dann wird sie es überleben. Es sind ne ganze 
            Menge Sachen so entstanden. Im Frankreich Teil an der Küste, bei der 
            Arbeit dieses Bild mit den zwei verbundenen Armen, das Bild ist auch 
            so entstanden, als ich da einfach gutes Licht hatte. Das sind 
            Sachen, die musst du im Moment machen, sonst werden die kitschig, 
            so´n kitschiger Symbolismus, mit zwei Armen zur Arbeit gehen. Aber 
            Ausgangspunkt bei Lamour, die Geschichte ist mir seit 1990 im 
            Kopf.
>>>> Was war das für ne Geschichte, weil wenn 
            ich jemandem von dem Film erzähle, fragt immer jeder: Was ist denn 
            jetzt das Besondere daran? (hi 
            - lo) 
            
<<<< Genau. 
>>>> Was war denn für 
            dich so besonders? 
<<<< Geschichten entwickeln geht 
            bei mir immer gleich. Ich merke irgendwie, ich komme in so eine 
            Phase wo ich keine Lust mehr hab´, sinnvolle Dinge zu tun. Wo ich 
            mich mit niemandem mehr verabrede, wo ich keine geschäftlichen 
            Sachen mehr mache. Dann institutionalisier ich das sozusagen, und 
            sag, ich bin einfach nicht hier, hab jetzt nichts zu tun mehr hier 
            mit den Leuten um mich herum. Und dann kommt irgendwas und ist auch 
            schon bald da, und dann taucht da so ne Geschichte auf. Das ist 
            immer ähnlich dieser Vorgang. Und bei Lamour das Unglaubliche und 
            was ich sehr besonders fand, war, wie diese Charaktere auftauchten. 
            Also, es war viel weniger die Geschichte die auftauchte, als diese 
            beiden unglaublichen Figuren. Wie David, diese komische Mischung und 
            dieser Ungeschicklichkeit und dieser extremen Reinheit und Unschuld 
            die der hatte, und dann gleichzeitig durch diese Unschuld auch, dass 
            der in der Lage ist, einfach Zuhälter zu werden. Wenn du unschuldig 
            bist, klar, dann kannst du dir auch einfach mal diese Cowboy-Stiefel 
            kaufen. Das war das besondere. Und dann die Geschichte, war klar, 
            sie geht auf den Strich, er hat einen Arm gebrochen, er arbeitet auf 
            dem Schrottplatz, es gibt einen Hund, es ist eine Liebesgeschichte, 
            sie endet in Frankreich, das Auto verbrennt am Schluss, ursprünglich 
            war immer so dass sie verhaftet werden. Aber das war alles nicht so 
            wichtig. Wichtig waren immer die Figuren, ich hab die geliebt, ich 
            fand die unglaublich. Auch Marie, diese Halbkinderhaftigkeit und 
            dabei total abgebrüht sein. Und drinnen viel mehr Kind als man 
            denkt, weil sie sich so abgepanzert hat. Das war alles auf einmal 
            da. Die beide haben mich dann extrem lange total begleitet, die 
            Charaktere. Ich hab die geliebt. Und das war das Besondere. Ich hab 
            noch nie ne Geschichte gemacht, wo ich gleich gemerkt habe, mit 
            diesen beiden Figuren will ich jetzt ne lange Zeit meines Lebens 
            verbringen. Weil du ja ne lange Zeit mit den Figuren verbringst, 
            wenn du schreibst und so weiter. Und das war auch immer das Problem 
            beim Schreiben, klar, wenn ich die Geschichte jetzt als Plot 
            erzähle, ist es nix. Zum Glück hatte ich die Erfahrung gehabt, mit 
            dem Kegelwitsch, wo ich gesehen hab, wie ihm seine Geschichte kaputt 
            gegangen ist, als er den Details nicht vertraut hat. Und das hat bei 
            mir für diesen Film bestimmt einen Einfluss gehabt. Und auch gegen 
            Geldgeber um die Details kämpfen. Ist klar, ne Liebesgeschichte ist 
            nichts ohne die Details. Und es gibt auch noch jede Menge anderer 
            Szenen. Ich habe mich auch leider ein bisschen dem Druck gebeugt, 
            vom Drehbuch her ist der Film dreieinhalb Stunden lang. Ich hätte 
            ihn noch ne halbe Stunde länger machen sollen, wahrscheinlich. Ne 
            Liebesgeschichte ist halt ne lange Geschichte (hi 
            - lo). 
            Ich hab mir dann auch mal angeguckt, welche Liebesgeschichten 
            erfolgreich sind, und erfolgreich waren, und die sind alle 
            unheimlich lang. Pretty Woman als sozusagen die Urknallzündung des 
            Liebesfilms, der in den Sechziger-, Siebziger-Jahren verschwunden 
            war, bis Pretty Woman auftauchte...Pretty Woman ist über zwei 
            Stunden lang. Das ist für Holywood damals, ein absoluter 
            Regelverstoß. Aber er muss so lang sein, weil du die Liebe nur über 
            Details erzählst. Natürlich kannst du das rausnehmen, wie sie mit 
            seiner Kreditkarte einkauft. Du kannst auch rausnehmen, wie sie mit 
            ihm in die Oper geht, aber dann ist der Film kaputt. Ich habe 
            einfach mal in nem Air France-Flug indem ich sass mir das 
            Bord-Programm durchgeguckt, und die haben so eine schöne 
            Bordprogramm-Zeitung, wo sie Revolver für Action, Herzen die Liebe 
            und ich weiss nicht, was noch für Zeichen haben. Und ich hab mir 
            diesen Katalog durchgeschaut, und die Liebesfilme waren die längsten 
            die die hatten. Und immer länger, als die Action-Filme. Und dann 
            habe ich gedacht, dass das so sein muss.Und dann habe ich angefangen 
            am Drehbuch zu arbeiten, zusammen mit der Drehbuch-Werkstatt in 
            München. Und recherchiert, extrem viel recherchiert. Weil diese 
            Figuren vielen mir so ein, und waren dann ganz schnell ganz nah bei 
            mir dran, aber ich wusste noch nicht genau warum ich die so liebe, 
            und warum ich die so stark finde. Und dann habe ich mich sehr lange 
            mit diesem Prostitutions-Milleu beschäftigt um herauszufinden, was 
            passiert da eigentlich mit den Frauen. Beziehungsweise um auch 
            herauszufinden, warum nehme ich eigentlich ne Frau die auf den 
            Strich geht, als Liebende. Und dann wurde halt doch recht klar, 
            dass, zumindest so wie Prostitution in Deutschland funktioniert, ist 
            es so, dass die Frauen ein Problem mit Zulassen von Nähe oder 
            Nicht-Zulassen von Nähe haben. Und dadurch entsteht das, dass 
            sozusagen eine Lebensform gefunden wird, wo der eigene Schmerz, 
            darüber dass man ne Lieben nicht wirklich zulassen kann, 
            beziehungsweise, dass, wenn Liebe und Sexualität zusammenfallen, 
            dass dann einfach ne Krise da ist. Das passiert der Marie in diem 
            Film. Prostitution handelt auf ner symbolischen Ebene für mich 
            davon, wie hält man das auseinander. Das ist eigentlich das was die 
            Frauen erleben, glaube ich. 
>>>> Wenn man aber 
            Figuren so lange bei sich trägt, könnte ich mir schon vorstellen, 
            dass es erst mal hart ist, die dann auch zu finden, oder bei 
            Castings etc. auszuwählen. 
<<<< Das casting war ja 
            total verrückt, ich hatte ja zuerst gedacht, ich kriege den Film 
            ohne Drehbuch finanziert (hi 
            - lo). 
            93 hab ich schon mal gecastet und aufgrund der Geschichte war ich 
            mir sicher, ich krieg Geld aufgrund des Exposees. Hab ich natürlich 
            nicht gekriegt, wegen den Terroristen. Beim Casting waren zwei 
            Sachen interessant. Das eine war, zu merken, dass ne Szene die gut 
            ist, die Schauspieler bei der Hand nimmt, und reinsaugt, und wenn 
            die sich einlassen passiert so ne bestimmte Automatik, und dann 
            spielt sich die Szene durch die Menschen. Das war spannend, zu 
            sehen, wie bestimmte Szenen Sachen gemacht haben, mit den Leuten. 
            Und das andere war, gut es gibt halt natürlich keine "Schauspieler" 
            die "jung" sind. Du musst halt gucken in Schauspielschulen, das 
            heißt, du musst eigentlich noch früher gucken... Sabine hab ich 
            getroffen in so ´nem Strasberg-Method-Workshop, wo ich selber als 
            Schauspieler teilgenommen hab. Das war eigentlich recht schnell 
            klar, dass sie das wirklich kann. Das war unglaublich. Es gibt auch 
            noch Casting-Aufnahmen von ihr, da war sie 19,wo wir gecastet haben. 
            Ich hab sie 94 getroffen und es hat ja noch mal drei Jahre gedauert, 
            bis wir das Geld hatten. Da war zum Beispiel ein großer deutscher 
            Verleih, der ist eine Woche vor Drehbeginn abgesprungen, weil es 
            gesagt hat, die Schauspielerin ist schlecht. Und Florian, da haben 
            wir ne Riesen-Suche gemacht. Wir sind zu den ganzen 
            Aufnahme-Prüfungen von den Schauspiel-Schulen hingegangen. Wir haben 
            auf der Strasse gesucht. Über Casting-Agenturen. Ich hab mich dann 
            mal in die Jury dieses Gesicht Des Jahres-Modelwettbewerbs 
            reinwählen lassen. Ich hab mir gedacht, na gut, dann seh ich jetzt 
            wenigstens mal zehntausend junge Leute auf einen Schlag. Das war 
            auch interessant aber der falsche Typ... Und dann haben wir Florian 
            aus der Prüfung von so ner Schauspiel-Schule rausgefischt. Was halt 
            schwierig war, war, das richtige Paar zu finden. Das Hauptproblem 
            bei dem Casting war, einen Schauspieler zu finden, der es überlebt, 
            neben Sabine zu spielen. Und das war super-interessant. Da waren von 
            denen sogenannten gypten Jungstarts des neuen Kinos. All diese Leute 
            die da hochgeschossen wurden kenn ich von diesen Castings. Da gibt´s 
            Leute, die sind wie eine Sonnenfinsternis verschwunden neben Sabine. 
            Ich kann jetzt keine Namen sagen, aber das war interessant. Da 
            gibt´s Leute, die waren alleine total präsent, und dann hast du 
            Sabine daneben gestellt und es war so, als würden die ausgeknipst. 
            Bei Lamour hat das noch ne andere Konsequenz gehabt, ich hab kurz 
            vorm Dreh noch mal auf 35mm ein Casting gemacht. (hi 
            - lo) 
            Ich wollte die Gesichter der beiden auf der Leinwand vom Zoo-Palast 
            sehen. Und dann sind wir rausgekommen aus dem ich und Freunde und 
            Team-Mitglieder und haben gedacht: Okay, wir haben ein echtes 
            Problem, wir haben einen Star gecastet. Und daher kam dann die 
            Entscheidung auf Cinemascope zu drehen. Es gab vorher sogar 
            Überlegungen wegen Super-16, das ging dann nicht wegen dem Licht, 
            aber, es war nie Cinemascope gedacht. Und dann hattest du aber ein 
            Gesicht was die ganze Zeit "Das ist großes Kino" suggeriert, und du 
            musst formal mithalten. Wenn du da formal nicht mithältst, dann 
            fliegt der Film dir um die Ohren. Und so war es super teuer Sabine 
            zu casten, weil da musste man plötzlich auf Scope drehen. Aber so 
            war´s eben.
>>>> Hat das Schnell "klick" gemacht, als 
            du die beiden zusammen gesehen hast.
<<<< Ne nicht so 
            schnell. Ich hab die dreimal zusammen gecastet, ich fand die schnell 
            ein gutes Paar.. Auch interessant, auch ohne meine Assistentin die 
            das Casting gemacht, hätte ich Florian übersehen. Weil der diese 
            Ungeschicklichkeit, und dieses komische David-hafte, das hat der 
            auch wirklich. Das heißt du hast irgendwie das Gefühl, der Typ ist 
            nicht richtig da, der ist immer so unterwegs, in sich selbst. Und da 
            war´s umgekehrt. Erst als der neben Sabine war, wurde der sozusagen 
            angeschaltet. Ohne Sabine hatte man das Gefühl, der ist irgendwie 
            halb abgeschaltet. Und dann war der plötzlich da. Und das war ein 
            Super-Aufwand dieses Casting. Unglaublich teuer. Das war 
            katastrophal. Wir wollten ein Jahr früher schon mal drehen und 
            hatten zu der Zeit ne ganz tolle Besetzung. Der Typ, der in Sommer 
            das autistische Kind gespielt hat, der war dann halt 18 oder 19 und 
            das war ganz toll. Und das war ganz schlimm, das wir nicht das Geld 
            gekriegt haben. Da gab´s ne Haushaltssperre bei einer Förderung, 
            konnten nicht auszahlen, mussten verschieben... Und in der 
            Zwischenzeit bis wir dann drehen konnten, ist der leider komplett 
            drogenmäßig abgestürzt. Und das war natürlich extrem hart. Zu sehen, 
            du hast ein ideales Cast und ein Jahr später ist einer von den 
            beiden nicht mehr da, auf eine Art. Dessen Gehirn war wirklich in 
            dem einen Jahr durch Ecstasy zerschossen. Das war sehr schade. Das 
            fand ich richtig schlimm, das war auch so ein cooles Paar, und es 
            wär so schön auch mit jemandem mit dem du als Kind gearbeitet hast 
            weiter zu arbeiten.. Da war bei mir natürlich ein Bezug da, klar. 
            Aber es ging einfach nicht. Jetzt hat er sich zum Glück wieder 
            erholt, und jetzt wird er auch Schauspieler, das ist gut. Aber das 
            war schade. 
>>>> Wie lief denn die Dreharbeit ab. 
            Der Film hat ja schon etwas sehr Unmittelbares, da ist es schwer 
            vorstellbar, dass da so ein dreißig-köpfiges Team am Start war. 
            
<<<< Ja, leider doch. Es gab ein großes Team. 
            
>>>> Warum? 
<<<< Das war ein 
            bisschen verrückt. Wegen dem Geld hatte ich ja schweizerische und 
            französische Co-Produzenten. Und da tauchte irgendwann das Problem 
            auf, dass wir relativ viel Geld besorgt hatten, und das alle 
            dachten: So jetzt drehst du, und du drehst auf Scope, und du drehst 
            auf 35, und jetzt muss das mal ?professionell? gemacht werden. Und 
            jetzt muss mal ein Riesen-Team hingestellt werden. Und ich hab´ 
            versucht mich zu wehren und hab´gesagt, ich brauch kein Riesen-Team. 
            Ich weiß nicht, was ich mit denen allen machen soll, aber da wurde 
            absolut darauf bestanden, dass eine angeblich professionelle 
            Struktur geschaffen wird. Und das ging dann auch radikal schief, 
            muss man sagen. Wir haben irgendwann dann angefangen sozusagen quasi 
            einen Doppel-Dreh zu machen. Dass gedreht wurde mit dem Team, und 
            dann wiederum während den Wochenenden oder den freien Tagen sehr 
            viel gedreht wurde nur ich, mit ´nem Freund der dann Ton gemacht hat 
            und den beiden Schauspielern und dem Maskenbildner. Sozusagen mit 
            ner Miniatur-Core-Unit. Und der Schluss ist nur noch gedreht worden 
            nur mit dieser Core-Unit. Irgendwann sind dann die Verträge des 
            Teams ausgelaufen, und wir haben dann gesagt, jetzt drehen wir das 
            noch mal zu Ende, alleine. Es fühlte sich wie an wie ne Riesen 
            Befreiung, als das Team nicht mehr da war. Diese ganzen 
            Schluss-Sachen sind mit nem Team gedreht, also inklusive 
            Schauspieler, von sieben Leuten. Und da hat das plötzlich 
            funktioniert. Da konntest du viel schneller arbeiten, konntest 
            persönlicher arbeiten. Das war falsch, am Anfang, so ein großes Team 
            zu haben. 
>>>> Und wie weit warst du in das ganze 
            technische Drumherum involviert?
<<<< Wir hatten 
            einen sehr guten Oberbeleuchter - einen Oberbeleuchter der auch 
            übrigens Die Innere Sicherheit gemacht hat. Und als ich dann selber 
            die Kamera gemacht habe, habe ich mich eben mit dem kleinen 
            Lichtteam, 2 Leute, auch super, abgesprochen. Als Sophie die Kamera 
            gemacht hat, hat sie etwas mehr Licht gesetzt, aber ich glaube die 
            Bilder von uns beiden sehen sich schon sehr ähnlich. Ganz ohne Licht 
            kannst du bei 35mm nicht drehen. Das funktioniert nicht. Das normale 
            Licht ist meistens zu flach. Bei Außen-Sachen oder im Freien 
            brauchst du kein Licht. Das ist eben auch so ein Wahn, dass die 
            Kamera-Leute überall Licht setzen willst. Es gibt nichts schöneres, 
            als zum Beispiel im Supermarkt das Neon, das von oben kommt. Da 
            brauchst du sonst nichts.
>>>> Und du arbeitest 
            generell so, oder. Das ist jetzt nicht irgendwie so im Dogma-Hype 
            etc. entstanden? (hi 
            - lo) 
            <<<< Ich hab das ja leider schon vor Dogma gedreht. 
            Danach habe ich ja erst mal unendlich lange geschnitten. Beim 
            Schneiden habe ich mich ja noch mal ziemlich in der Geschichte 
            verirrt. 
>>>> Wie lang hat das gedauert, und hast du 
            das alleine gemacht? 
<<<< Fast alleine. Einen Teil 
            noch mit der Valdis Oskarsdottir, die das Fest und Mifune 
            geschnitten hat. Eine tolle Cutterin. Die kam für zweieinhalb 
            Wochen, und hat mir das umgearbeitet. Generell schneide ich immer 
            alleine. Ich habe den alleine geschnitten, weil, für den Film, das 
            sind ja alles Jump-Cuts, Handkamera, und auch auf Jump-Cuts hin 
            gedreht. Und ich hatte keinen deutschen Cutter gefunden der damit 
            umgehen kann. Gedreht haben wir es eben vor Dogma - leider. Sonst 
            hätte man ja... Es ist eher umgekehrt. Der Anthony Dot Mantle, der 
            ja die Kamera bei den ganzen Dogma-Filmen gemacht hat, hat ja 
            wiederum davor seine erste Spielfilm- Kamera bei den Terroristen 
            gemacht. So hängt das alles zusammen. Deswegen hat der Vinterberg 
            ihn für das Fest genommen. Weil er Die Terroristen gesehen hat und 
            gesagt hat, okay, der kann halt doch Handkamera 
            machen.
>>>> Wie lang hast du denn dann bei einem 
            derartig direkten, Handkamera-gedrehten Film für den Schnitt 
            gebraucht? Da muss die Orientierung ja noch etwas komplizierter 
            sein. 
<<<< Endlos lange. Wobei der Schnitt auch 
            super-kompliziert aus technischen Gründen war. Wir hatten super 
            viele Negativ-Schäden. Die mussten zum Teil korrigiert werden, zum 
            Teil nachgedreht werden, zum Teil auch im Schnitt vermieden werden. 
            Das war ein großer Teil der Arbeit. Dann ist es kompliziert wegen 
            dieser Dreifach-Belichtung. Aber ich hab´ wirklich so was wie, 
            gut... Bis der Bildschnitt fertig war, das waren zweieinhalb 
            Jahre.
>>>> Aber das hatte bestimmt nicht nur 
            technische Gründe. Hast du zwischendurch nicht mal gedacht, ich kann 
            die Form des Filmes nicht finden? (hi 
            - lo) 
            
<<<< Das war wirklich schwer die Form zu finden. 
            Auch gerade die Balance zu finden, zwischen dramaturgischem Skelett 
            und sozusagen den Girlanden-Szenen drum herum. Die halt nicht nötig, 
            aber doch toll sind. Und die halt doch nötig sind, dass du das 
            Gefühl für die beiden kriegst. Es viel einfacher einen Film wie die 
            Terroristen zu schneiden, wo du ne Struktur hast, die auf ne ganz 
            super-simple Art dramatisch ist. Explodiert die Bombe oder nicht? 
            Und hier hast du es halt nicht. Hier hast du ne Struktur, die 
            unglaublich weich ist. Beim Schneiden war es manchmal so, als ob du 
            in Nebel wanderst, weil du das Gefühl hast: Wenn du´s zu sehr 
            konkretisierst, dann gehen dir die Figuren kaputt. Und wenn du es zu 
            aber zu sehr atmosphärisch erzählst, dann geht dir das Interesse des 
            Zuschauers kaputt. Das war super-schwierig. Dieser Film ist auch ein 
            Extrem-Beispiel dafür, das jeder Teil des Filmes jeden anderen 
            beeinflusst. Du schneidest und schneidest und schneidest, und dann 
            musst dir wieder die ganzen zweieinhalb Stunden angucken. Um zu 
            überlegen: Hat das was du gemacht hast, jetzt nach hinten ne 
            Konsequenz, die fatal ist? Und das ist natürlich der Hammer als 
            Zeitaufwand. Dann guckst du es dir wieder an zweieinhalb Stunden. 
            Dann musst du wieder zwei Tage lang spazieren gehen, damit du 
            überhaupt weißt, was passiert ist.
>>>> Und wie 
            Schauspieler dann im Filmprozess mit dem Inhalt des Buches dann beim 
            Drehen klar gekommen? 
<<<< Also es gab viele Momente 
            wo die Schauspieler in extrem persönliche Situationen von sich 
            selbst reingeführt wurden. Das ist ja bei der Method-Methode, mit 
            der ich arbeite, auch klar. Es gab manchmal Momente, wo z.B. bei 
            Sabine, bei der Vergewaltigung mit dem Zuhälter, wo das Problem war: 
            Klar, sie muss da unheimlich weit rein gehen. Und da gibt´s den 
            Moment wo du denkst, brech ich jetzt den Dreh ab, um sie zu schonen? 
            wo aber auch klar ist, das wäre genau falsch, weil du musst ihr die 
            Möglichkeit geben, dass sie den Konflikt den sie da selber erlebt, 
            in dem sie es spielt, bis es sie für sie jetzt auch so ist dass es 
            auch gut gespielt ist, wieder löst. Du darfst sie auf keinen Fall da 
            hängen lassen, indem du sagst: Oh, jetzt erschreck ich mich als 
            Regisseur, jetzt brech ich mal den Dreh ab. Dann lässt du sie ja 
            wirklich im Stich, mit dem was sie an Gefühlen gefunden hat, in sich 
            selber, und lässt sie damit alleine. Und das war im Prinzip ein 
            Konflikt mit dem Team. Dass das Team ganz oft das Gefühl hatte, ich 
            quäle die Schauspieler, ich müsste sofort damit aufhören. Sie 
            müssten die Schauspieler retten. Während die Schauspieler das Gefühl 
            hatten ich mache das genau, was für sie richtig ist. Ich führe sie 
            zu einem bestimmten Punkt, und führe sie wieder raus. Das war ein 
            echter Konflikt-Punkt mit dem Team. Und es gibt natürlich in dem 
            Film, das ist ja klar, Momente die schwer zu spielen sind. Wobei es 
            andere Momente sind als man denkt. Für Sabine das Schwierigste waren 
            die Momente, wo sie eigentlich relativ glücklich sein muss. Und für 
            Florian war glaube ich das Schwierigste, wo es rausgeschmissen wird 
            von ihr, und wo er so wütend werden muss. 
>>>> Aber 
            dein Bezug zu Schauspielern unterscheidet sich schon von 
            beispielsweise dem von Lars Von Trier, wo man das Gefühl hat, dass 
            dem a) seine Figuren relativ egal sind und b) auch die Schauspieler 
            dabei drauf gehen könnten.
<<<< Ne, meine 
            Schauspieler sind mir nicht egal.